18.09.2015
„Und, was schmeckst du?“ fragt mich Mathew de Kock, der junge Plantagenmanager, und sieht mich erwartungsvoll an.
Wir sind in der Probenküche der „Kilimanjaro Plantation Ltd.“ Kaffeefarm. Vor uns stehen Kaffeetassen in einer Reihe, dazu Schalen mit grünen und gerösteten Kaffeebohnen und Dosen mit Nummern und Sortenbezeichnungen. Je zwei Proben wurden von einer Sorte aufgebrüht. Insgesamt verkosten wir acht Kaffeesorten, die alle von verschiedenen Feldern der Farm stammen. Ich nehme einen Löffel voll aus der ersten Tasse, rieche kurz daran und schlürfe ihn mit viel Luft in meinen Mund. Nun lasse ich den Kaffee über die Zunge und den Gaumen gleiten und spucke ihn in eine Tasse in meiner Hand. Den Vorgang wiederhole ich mit der anderen Probe der gleichen Sorte. Schlürfen und spucken gehören hier zum Verkostungsritual, das ähnlich einer Weinprobe abläuft.
Wonach hat es geschmeckt? Nach Kaffee, ganz klar! Aber wonach noch? War der Kaffee kräftig oder mild, hatte er viel oder wenig Säure, gab es weitere Aromen und Geschmacksstoffe? Die erste Probe ist wenig aufschlussreich, eher mild und ein bisschen langweilig. Die zweite Kaffeesorte macht es mir sehr viel leichter. Es schmeckt, als hätte jemand Zitronensaft in den Kaffee gemischt. Die Bohnen haben eindeutig sehr viel Säure.
Nacheinander probiere ich alle Sorten, vergleiche und habe schnell einen Favoriten. Angenehm im Geschmack, schön ausbalancierte Säure und mit einer angenehmen Note nach bitterer Schokolade. Man kann diese Feinheiten mit etwas Übung tatsächlich herausschmecken. Eine spannende Erfahrung, wie auch die Farmtour, die wir vor der Verkostung unternommen haben.
Unterwegs auf der Kaffeefarm
Kilimanjaro Plantation Ltd. ist eine der größten Kaffeefarmen in Tansania und liegt direkt am Fuß des Kilimanjaromassivs. Hier gibt es guten, vulkanischen Boden. Die Plantage erstreckt sich in verschiedenen Höhenlagen auf rund 595 Hektar, hinzu kommen noch rund 70 Hektar Nutzfläche für die Trocknung und Weiterverarbeitung der Kaffeebohnen. Rund 1,2 Millionen Kaffeebäume wachsen hier, ausschließlich Arabica-Kaffee. Die Bäume wurden in den Jahren 2000 bis 2005 gepflanzt. Durchschnittlich bringt ein Kaffeebaum rund zehn Jahre gute Erträge, danach wird die Pflanze ersetzt. Nach zwei bis drei Jahren trägt ein Setzling das erste Mal, nach fünf Jahren werden die Bäume so zurückgeschnitten, dass sie nur zwei Haupttriebe behalten und diese dann besonders gut wachsen. Dazwischen werden Schattenbäume gepflanzt. Neue Pflanzen gewinnt die Plantage in einer eigenen „Nursery“, wo Stecklinge von Mutterpflanzen gezogen werden.
Wir haben September und das Ende der Erntezeit ist erreicht, nur noch einige Felder in den höheren Lagen haben noch Früchte an den Bäumen. Es werden nun auch die letzten Kaffeekirschen unreif geerntet und zu „grünem Kaffee“ verarbeitet, der aber nur eine minderwertige Qualität erreicht und sehr fruchtig schmeckt.
Rund 1500 Helfer pflücken in der Hochsaison. Jetzt am Ende der Erntezeit sind es nur noch wenige. „Um die Jahreszeit ist es schwierig, Leute zu bekommen, weil diese auch ihre eigenen Felder bestellen müssen“, sagt Mathew. Bezahlt wird nach gepflückter Menge, was natürlich bei den wenigen Bäumen nicht mehr sehr einträglich ist. Kinder arbeiten hier nicht, wird mir glaubhaft versichert und der Kaffee ist UTZ-zertifiziert (. Auch Pestizide würden nicht eingesetzt. Die Kaffeepflanzen sind sehr resistent, es gibt nur wenige Schädlinge wie zum Beispiel einen Wurm, der die Wurzeln befällt. Vögel mögen die Kaffeekirschen nicht. Nur Trockenheit setzt den Bäumen zu, deshalb gibt es ein verzweigtes Bewässerungssystem.
Die Ernte per Hand ist an sich schon sehr aufwändig, die Weiterverarbeitung noch mehr. Die Kaffeekirschen werden zunächst vorsichtig zerquetscht, um die Kerne herauszuholen. Dabei wird schon eine erste Sortierung vorgenommen. Den Transport übernehmen das Wasser und die Schwerkraft. Von der Mühle, die sich am höchsten Punkt der Verarbeitungsanlage befindet, gelangen die Kerne in verschiedene Becken, wo sie für einige Tage fermentieren und sich das schleimige Fruchtfleisch löst. Über ein ausgeklügeltes Rinnensystem erreichen sie weitere Becken und werden nochmals sortiert, indem die leichteren und schwereren Bohnen voneinander separiert werden. In einem Auffangbecken werden die grünen Bohnen nun abgeschöpft und zum Trocknen auf große Tische verteilt. Hier bleiben sie für rund sieben bis zehn Tage und werden immer wieder bewegt und gewendet. Mit diesem Verfahren behandelte Kaffeebohnen nennt man auch „washed coffee“.
Das Wasser aus den Fermentierungsbecken ist stark säurehaltig und muss erst geklärt werden, bevor es an die Natur zurückgegeben werden kann. Auf die Kläranlage ist Mathew besonders stolz. Sie besteht aus terrassenförmig angeordneten Becken, die einen Kanal bilden. Das säurehaltige Fruchtfleisch, das im Wasser zurückgeblieben ist, gärt in der Sonne und bildet Schaum. Dieser wird in den jeweiligen Becken abgeschöpft und getrocknet. Nach und nach verliert das Wasser so die Säure und am Ende des Kanals ist es fast wieder rein. Endgültig geklärt wird es in zwei großen Auffangbecken, die mit säureliebenden Pflanzen bewachsen sind. Diese filtern letzte verbleibende Stoffe aus dem Wasser und zurück bleibt reines Wasser, das für die Bewässerung der Kaffeebäume verwendet werden kann.
Jetzt in der Trockenzeit ist es kein Problem, die Bohnen auf natürlichem Weg draußen zu trocknen und auf rund elf Prozent Restfeuchte zu bringen. In der Regenzeit müssen riesige Trockner diese Arbeit übernehmen. Sie fassen rund 111 Kubikmeter Kaffee und trocknen diesen innerhalb von rund 24 Stunden auf den gewünschten Feuchtegrad. Durch Siebe werden die Bohnen weiter sortiert. Je größer die Bohnen sind, desto höher werden sie eingestuft.
Nach der Verpackung in Zentnersäcke wartet der getrocknete Kaffee auf die Weiterverarbeitung in einer großen Mühle. Hier werden die Pergamenthäutchen entfernt, anschließend geht der Kaffee per Schiff auf die Reise in die Verbraucherländer. Geröstet wird der Kaffee dann erst vor Ort. Während der Lagerung reift der Geschmack auch nochmals nach und verändert sich.
Obwohl die Plantage zu 80 % einer großen deutschen Firma gehört, wird hier kaum Kaffee für den deutschen Markt produziert. Der meiste Kaffee geht in die USA und nach Asien. Die Asiaten mögen den Kaffee mit Zitrusaromen, die Amerikaner den mit dem breiten, eher langweiligen Geschmack. In Deutschland wird zwar auch sortenreiner tansanischer Kaffee als Spezialitätenkaffee unter dem Namen „African Blue“ in ganzen Bohnen verkauft, jedoch kommt der nicht von dieser Plantage. „Die Felder müssten noch höher liegen als 1300 Meter, mit dem kenianischen Kaffee können wir nicht mithalten“, erklärt mir Mathew. Je höher die Lage der Plantage, desto hochwertiger ist der Kaffee.
Mein Favorit war übrigens eine „AA“-Qualität mit dem ausgewogenen Aroma, das den deutschen Kaffeegeschmack am ehesten trifft. Als Auto wäre das ein guter Mittelklassewagen. Mathew trinkt übrigens nur rund zweimal pro Woche Kaffee hier auf der Plantage, die frischen Bohnen haben zu viel Koffein. Er verkostet aber sehr oft. Ich habe auch das Gefühl, das Koffein wirkt, obwohl ich den Kaffee gar nicht wirklich getrunken habe.
Nach rund zwei Stunden ist die wirklich sehr interessante und anregende Tour beendet und ich habe wieder eine ganze Menge über Kaffee dazugelernt. Die Tour ist von der Meru View Lodge und Ngurdoto Lodge aus buchbar. Man kann sie mit einem Mittagessen und Stadtbesuch von Moshi verbinden.
Tipps: Unbedingt feste Schuhe anziehen, denn das Gelände und die Produktionsanlagen können rutschig sein. Die beste Zeit für einen Besuch ist zwischen Juni und August nach der Regenzeit. Dann ist die Kaffee-Ernte in vollem Gang. Wie Kaffee auf traditionelle Art angebaut wird, lernen die Gäste bei der Kaffeewanderung, die in vielen Touren mit Ausgangspunkt Meru View Lodge und Ngurdoto Lodge bereits im Programm enthalten ist.